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Vision Nullemission - ZEWTEC

In Kapitel 3 konnte ein Abgasreinigungskonzept vorgestellt werden, das keine Aktivkohle oder Herdofenkoks (HOK) und keine Additive zur Chlorreduktion einsetzt. Durch den minimierten Additiveinsatz werden auch die entsprechenden Reststoffmengen zur Entsorgung vermieden. Zusätzlich werden die Aschen in einer Weise abgeschieden sowie katalytisch und chemisch-physikalisch behandelt, dass die Flugaschen wieder einem stofflichen Recycling zugeführt werden können.

 

Das reicht noch nicht?

 

Der UN-Klimarat IPCC hat bestätigt, dass CO2-Emissionen einen verheerenden Einfluss auf die Erwärmung haben werden, wenn sie bis zum Jahr 2050 nicht um 50 % - 80% gesenkt werden. Doch wenn man sich vor Augen führt, dass mit einer Zunahme des Weltenergiebedarfs um 60 % zwischen 2002 und 2030 gerechnet wird, während erneuerbare Energien bis 2050 voraussichtlich lediglich ein Drittel des Energiemixes ausmachen werden, wird das immense Ausmaß der Herausforderung deutlich.

 

Obgleich eine Erhöhung der Energieeffizienz bereits einen großen Beitrag leisten kann, wird dies alleine das Problem nicht lösen können.

 

Unter Nullemission könnte man - wie in der Kohleverbrennung üblich - verstehen, dass eine Anlage kein klimarelevantes CO2 mehr emittiert. Klimarelevant ist bei Abfall nur der fossile CO2-Anteil und der beträgt pro Tonne Abfall ca. 40 % - 60% der Gesamt-CO2-Emissionen. Der biogene CO2-Anteil wird als Emission bewertet, da Biomasse der Atmosphäre während des Wachstums CO2 entzieht und somit den CO2-Kreislauf mit neutraler Bilanz darstellt.

 

Da CO2 einen Schadstoff und eine Belastung für nachfolgende Generationen darstellt, kann man die Entsorgung der abfallstämmigen klimarelevanten CO2-Anteile auch als Atmosphären-Deponierung bezeichnen, die genauso wie die terrestrische Deponierung ein Erbe an unsere Kinder darstellt.

 

Fossiles CO2 aus der Abfallverbrennung stellt einen Reststoff aus der Abfallbehandlung dar, der nach der Abfallrahmenrichtlinie entweder vermieden, wiederverwendet oder recycelt werden sollte.

 

Ist ein Stoff dann kein Abfall, weil man ihn nicht sehen kann, nicht fühlt und er keinen direkt erkennbaren Einfluss auf die menschliche Gesundheit hat? Fossiles CO2 stellt immerhin 30 % - 40 % der Abfallmasse dar.

 

Dow Deutschland GmbH & Co. OHG, Werk Stade betreibt seit 1990 eine Sonderabfallverbrennungsanlage, genannt RVA (Reststoffverwertungsanlage) für 40.000 t/a hochkalorische Kunststoffreste mit hohem PVC-Anteil und produzieren 40.000 t/a Salzsäure und 40.000 t/a Soda (Na2CO3·10H2O, Dehyrdat des Natriumcarbonates) zur werkseigenen Verwertung. Der Massenanteil der verwertbaren CO2-Produkte aus dem Abfall beträgt 100 % des Abfallanfalls. Im Werk Stade wurde schon 1990, also vor der internationalen Klimadiskussion 1992 in Rio de Janeiro, aus reiner Motivation des wirtschaftlichen Recyclings CO2 verwertet.

 

Die Fabrik von Shell Chemicals in Scotford, Alberta, Australien will künftig 60 % ihres gegenwärtigen CO2-Ausstoßes an die benachbarte Firma Air Liquide verkaufen.

 

In Bild 16 ist eine CO2-Abscheidungsvariante dargestellt. Für eine Nullemission reicht es aus, nur ca. 40 % bis 60 % des entstandenen CO2 zu verwerten.

 

Als weitere modulare Erweiterung könnte eine Luftzerlegungsanlage Stickstoff, CO2 und Edelgase am MVA-Standort produzieren, somit würde eine schornsteinfreie MVA entstehen.

 

Bild 16: Modulare Erweiterung zur CO2-Ascheidung oder kompletten Abgaszerlegung zur Produk-tion von technischen Gasen

 

Bild 16:   Modulare Erweiterung zur CO2-Ascheidung oder kompletten Abgaszerlegung zur Produktion von technischen Gasen

 

 

Im Grundkonzept wird das Abgas soweit gereinigt, dass eine weitergehende Abgasreinigung erweitert werden kann.

 

Zur CO2-Abscheidung werden in der Kohleverbrennung drei unterschiedliche Technologiekonzepte und zusätzlich deren Kombination verfolgt:

  1. Post-Combustion Capture - CO2-Abscheidung nach der Verbrennung
  2. Pre-Combustion Capture - Vergasung mit Sauerstoff, CO-CO2-Shift und CO2/H2-Trennung
  3. Oxy-Fuel Combustion Capture - Verbrennung mit technischem Sauerstoff

Nur bei Variante 1 kann auf eine kosten- und energieintensive Luftzerlegungsanlage verzichtet werden. Variante 1 bietet überdies die flexible Einstellung des CO2-Reduktionsgrades und die Möglichkeit der Nachrüstung, sowohl für den gesamten Abgasstrom als auch für einen Abgasteilstrom.

 

Die Konzepte werden in der Literatur unterscheiden nach der Energieeffizienz des Gesamtprozesses und dem CO2-Abscheidegrad. Die Erfahrungen mit der Versuchsanlage OxyFuel (500 KWth) in Jänschwalde und die Auslegungsdaten der Demonstrationsanlage (30 MWth) in Schwarze Pumpe belegen nur einen maximalen Abscheidegrad des durch die Verbrennung frei werdenden CO2 von 85 % bis 90 %, bedingt durch 3 % bis 10 % Falschluftanteile durch die Unterdruckfahrweise und die feuerungsbedingte Einstellung eines Restsauerstoffgehaltes der Abgase von 3 % bis 4 %. Hinzu kommen die Verluste an CO2 bei der Speicherung und Endlagerung des CO2. Das Wuppertal Institut geht von nur 60 % CO2-Speicherung aus dem Kraftwerksprozess aus [17]. Berücksichtigt man, dass das CO2-freie Kraftwerk ca. 30 % mehr CO2 bei gleicher Stromerzeugung wie das konventionelle Kraftwerk verbraucht, ergibt sich lediglich eine CO2-Reduktion durch Langzeitspeicherung von 30 %. In der folgenden Tabelle sind nur die CO2-Abscheidegrade ohne Verflüssigung, Transport und Speicherung angegeben. Für die CO2-Abscheidung am kalten Ende wurden Waschverfahren, von Teilstrom bis Gesamtstromwäsche vorausgesetzt.

 

Tabelle 9:      Wirkungsgradverluste und CO2-Abscheidegrade CO2-freier Kraftwerkskonzepte

 

Technologie

Wirkungsgradverlust

%-Punkte

CO2-Abscheidegrad

CO2-Abscheidung am kalten Ende(PCC)

0 % - 8 %

0 % - 90 %

Vergasung mit Sauerstoff

8 % - 10 %

85 % -95 %

OxyFuel

CO2-Rezirkulation mit

kryogener Luftzerlegung

< 10 %

85 % - 90 %

OxyFuel

CO2-Rezirkulation mit

Hochtemperatur-Membran

2 % - 5 %

85 % - 90 %

 

Energetisch sehr interessant ist die Weiterentwicklung der Luftzerlegung mit dem Hochtemperatur-Membranverfahren.

 

Die Kosten für Transport und Speicherung werden von der COORETEC- Arbeitsgruppe in Deutschland auf etwa 10 bis 24 € pro Tonne CO2 geschätzt [10]. Bei der Verbrennung von einer Tonne Braunkohlenstaub fallen ca. 2 t CO2 an, die Kosten für Speicherung und Transport ohne die technologischen Mehrkosten für die CO2-Abscheidung betragen ca. 20 bis 48 €/t Trockenbraunkohle bzw. ca. 25 - 60% der heutigen Brennstoffkosten.

 

Alle Maßnahmen zur CO2-Abscheidung sind nur dann sinnvoll, wenn der anschließende Verbleib des CO2 zufrieden stellend geklärt ist. Die derzeitigen Sequestrierungsmöglichkeiten sind in Bild 18 dargestellt.


Tabelle 10:    Speicherpotentiale für CO2

 

Speichertyp

Nutzbares globales Potential / Gt CO2

Ozean

praktisch unbegrenzt

Saline Aquifere

praktisch unbegrenzt

Leere Gasfelder

> 700

Leere Ölfelder

> 120

Tiefe Kohlelagerstätten

15*

Tertiäre Ölförderung

5**

* Erlöse durch Gewinnung von Grubengas (Methan) ** Erlöse durch gesteigerte Ölausbeute

 

Den absehbar besten Nutzen hat die CO2-Nutzung zur tertiären Erdöl- und Erdgasförderung, sozusagen um die Reste auszudrücken bzw. auszuspülen. Die unterirdische Deponierung wird in der Öffentlichkeit ein wenig dem Bergversatz oder der Endlagerung von radioaktiven Abfällen angesehen und trägt gerade bei der Abfallbehandlung nicht zu einer Erhöhung der Akzeptanz bei. Schon heute sprechen sich BUND, Greenpeace, NABU, WWF, Germanwatch und Wuppertal Institut gegen eine Speicherung von CO2 im Ozean aus.

 

Verwertungsmöglichkeiten für CO2 aus Abfallbehandlungsanlagen stehen genügend zur Verfügung, da es sich um wesentlich geringere Mengen handelt und der Anteil der CO2-Kosten bezogen auf den fossilen Anteil <10 €/t Abfall beträgt. CO2 aus der Aminwäsche entspricht theoretisch sogar den Qualitätsansprüchen der Lebensmittelindustrie. Die Anwendungsbereiche in der Industrie, vor allem Petrochemie, Pharmaindustrie, Landwirtschaft und chemischen Industrie insbesondere bezogen auf regionale Absatzmärkte würde für den CO2-Anteil aus der Abfallbehandlung ausreichen. 2003 wurden pro Tonne CO2 noch ein Erlös von 100 € erzielt. Es ist aber mit einem ähnlichen Effekt wie beim REA-Gips zu rechnen und mit dem Überangebot an CO2 wird der Preis entsprechend stark fallen.

 

Die Abfallverbrennung bietet die einmalige Möglichkeit, C-Körper zur Kunststoffproduktion zu nutzen als Alternative zur Methanolproduktion.

 

Bekannt ist die Produktion von Harnstoff, Tensiden, Methanol, Polycarbonate, Lactone, Urethane, Soda, Natriumbicarbonat, Calciumcarbonat usw. Aktuell gibt es mehrere Projekte zur CO2-Elimination mittels Algen [23].

 

Bild 17: OXYCOAL-AC Prozess mit Hochtemperaturmembran [31]

 

Bild 17:   OXYCOAL-AC Prozess mit Hochtemperaturmembran [31]

 

Bild 18: CO2-Sequestrierung [55]

 

Bild 18:   CO2-Sequestrierung [55]

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